Beratung, aber unabhängig

Gespräch mit Ulrike Hestermann, Leiterin der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung in Darmstadt und Beraterin

Die Ergänzende, unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) ist ein bundesweites Angebot, welches vom Bund finanziert wird.

Seit 2018 gibt es auch in Darmstadt die EUTB. Sie berät Menschen mit Behinderung, von Behinderung bedrohte Menschen und ihre Angehörigen zu allen von ihnen gestellten Fragen.

Lange Zeit mussten sich Ratsuchende an unterschiedliche Stellen wenden. Oftmals waren diese Institutionen jedoch auch gleichzeitig Leistungserbringer. Das heißt, bei der Beratung konnte es durchaus zu einem Interessenskonflikt kommen. Die Einrichtung der EUTBen als unabhängige Beratungsstellen wirkt dem entgegen.

In Darmstadt entstand die EUTB in Trägerschaft des Vereins GleichxAnders. Ulrike Hestermann leitet die EUTB, mit ihr haben wir uns unterhalten.

„Ich leite die EUTB seit 2018, also von Anfang an. Vor allem aber berate ich sehr viel und gerne. Wir unterstützen alle Menschen mit Behinderung, von Behinderung bedrohte Menschen und Angehörige.“

Bei Fragen können sich nicht nur Menschen aus der Stadt Darmstadt, sondern auch diejenigen aus dem Landkreis an die EUTB wenden.

„Wir bieten nach Absprache zu bestimmten Zeiten auch Beratungen in Groß-Umstadt, Babenhausen, Dieburg und Griesheim an. Wenn Menschen nicht in die Beratungsstellen kommen können, beraten wir auch bei den Menschen zu Hause“, erläutert Hestermann.

Die Idee dabei ist:

„Die Menschen sollen Beratung erhalten, auch wenn sie nicht zu uns kommen können. Mangelnde Mobilität soll kein Ausschlussgrund sein.“

Die vier Beraterinnen haben als selbst Betroffene oder als enge Angehörige Erfahrung mit Behinderung und bearbeiten eine ganze Palette von Fragen und Anliegen:

„Zu den Themen, die wir bearbeiten, gehören Fragen rund um die Assistenz zur Teilhabe, etwa in der Schule oder im Alltag, finanzielle Fragen, Fragen zum Grad der Behinderung sowie Fragen rund um die Themen Arbeit, Pflege oder Umgang mit Behörden“, erzählt Ulrike Hestermann.

Menschen mit Behinderung haben Anspruch auf verschiedene Leistungen, z.B. auf Assistenz in der Schule. Allerdings:

„Beim Thema Assistenz ist es so, dass es nicht so schwer ist, sie genehmigt zu bekommen, wenn die Voraussetzungen stimmen. Allerdings bleibt die Frage zu klären, wer die Leistung dann erbringt. Aufgrund des Fachkräftemangels ist es nicht einfach, jemand passenden für eine bestimmte Leistung zu finden“, berichtet die Leiterin der EUTB.

Im Moment warten die Menschen vier bis sechs Monate nach Antragsstellung, bis eine Leistung tatsächlich erbracht wird. Auch das ist für viele Ratsuchende ein Problem.

Trotz der Herausforderungen arbeitet Ulrike Hestermann sehr gerne bei der EUTB, auch wenn sie eigentlich schon im Ruhestand sein könnte. Zu ihrer Motivation sagt sie:

„Ich finde, das ist eine großartige Arbeit. Und es ist auch eine spannende Tätigkeit. Jeden Tag höre ich eine Frage, die so noch niemand gefragt hat, jeder Fall ist anders und herausfordernd. Auch macht es mir Spaß, knifflige Probleme zu lösen. Menschen dabei zu unterstützen, maximale Teilhabe zu erreichen, bereitet große Freude.“

Die Fragen sind so unterschiedlich wie die Menschen, die zur EUTB kommen. Menschen, die in Werkstätten arbeiten, genauso wie Universitätsabsolventinnen, Ulrike Hestermann hat schon ganz verschiedene Menschen beraten.

Zum Abschluss hat die Leiterin der EUTB einen Wunsch:

„Die Situation für Menschen mit Behinderung wird schwieriger, sie eskaliert geradezu. Besonders für kognitiv eingeschränkte und psychisch beeinträchtigte Menschen stellt vor allem der Mangel an Betreuungspersonal eine Bedrohung dar. Ich wünsche mir, dass die politisch Verantwortlichen diese Entwicklung nicht nur sehen, sondern die notwendigen strukturellen Veränderungen im System der Eingliederungshilfe einleiten, damit der weitere Ausschluss von Menschen mit Behinderung verhindert wird“, fordert Hestermann.