„Woher kommst du?“

Um diese, zunächst so simpel erscheinende Frage, ranken sich oftmals viele weitere Fragen, Frustration, Verletzung und Unverständnis. Sie zeigt uns zugleich ganz eindrücklich das System gesellschaftlicher Prozesse, die diskriminieren und ausgrenzen, aber auch das Prinzip von Selbst- und Fremdbezeichnungen, von Zugehörigkeit und Zuschreibung.

Und das alles können wir an dieser harmlosen, neugierigen Frage erkennen? Die Antwort ist ja und zugleich sollte an dieser Stelle hinterfragt werden, wie harmlos die Frage wirklich ist.
Wem stellen wir sie?
Vielleicht der Person, die einen für uns unbekannt klingenden Dialekt hat oder die uns erzählt, dass sie gerade neu und zum ersten Mal in Deutschland angekommen ist. Vielleicht aber auch der Person, die wir als nicht weiß lesen, die in einem Weltbild nicht „deutsch“ aussieht.
Und während wir uns mit der genauso simplen Antwort „aus Oberfranken“ der Dialektträgerin zufrieden geben, tun sich viele schwer, die Antwort „aus Köln“ einer Person of Color (POC) zu akzeptieren. Oft wird dann nachgefragt, woher die Person denn nun wirklich komme, oder dann eben zumindest deren Eltern. Und alle Antworten werden die fragende Person nicht zufrieden stimmen, bis eine Antwort kommt, die ihr Weltbild bestätigt. Die Großeltern der Person stammen aus einem afrikanischen Land. Na also!

Daran sollte nun schon einiges deutlich werden. Die Person wird durch die Frage nach der wirklichen Herkunft als „fremd“, „nicht zugehörig“ und „anders“ abgestempelt. Es scheint nicht möglich zu sein, dass die Person einfach aus Köln stammt. Punkt. Und während die Person sich als Kölner*in identifiziert, sich selbst als solche beschreibt, wird ihr abgesprochen, dies selbst bestimmen zu können. Ihr wird von außen eine andere Identität zugeschrieben, nämlich jene, die die Erwartung der fragenden Person bestätigt.

Es geht auch nicht darum, dass die fragende Person doch nur aus vermeintlichem „Interesse an der Person“ gefragt hat, sondern darum, wie die Frage ankommt. Und oftmals kommt „du gehörst hier nicht her“ bei den betroffenen Personen an. Überlegen Sie einmal, wie oft Sie, ohne konkreten Zusammenhang, gefragt werden, woher Sie kommen. Und wie oft wird ihre Heimatstadt als Antwort nicht akzeptiert? Und nun stellen Sie sich einmal vor, wie es einer Person geht, die diese Erfahrung vielleicht sogar mehrmals täglich macht. Würden Sie sich dann zugehörig fühlen?

Hier sind wir schon an einem der wichtigsten Punkte angelangt, wenn es um Diskriminierung und Rassismus geht: der Selbstreflexion. Es ist nämlich nicht so, dass nur andere, böse Menschen rassistisch sind. Wir alle sind in rassistisch geprägten Strukturen aufgewachsen, dafür können wir zunächst nichts. Wir können uns aber mit diesen Strukturen, Verhaltensweisen und Denkmustern aktiv auseinandersetzen, etwas ver-lernen und ver-ändern. Ein Anfang kann sein, die Antwort und Selbstbezeichnung einer Person uneingeschränkt zu akzeptieren, oder vielleicht noch einmal zu überlegen, ob man die Frage überhaupt gerade aus einem Interesse heraus stellen möchte oder ob vielleicht doch etwas anderes dahinter steckt und die Frage gar nicht notwendig ist.

Wenn Sie Interesse haben, sich weiter auf diesen Weg der Selbstreflexion im Zusammenhang mit dem Thema Rassismus zu begeben, dann haben wir einige Literaturempfehlungen, die wir Ihnen gerne an die Hand geben möchten und die Sie in diesem Adventskalender finden. Sie finden diese unter anderem hinter Türchen Nummer 4.

Anschaulich dargestellt und erklärt wird das Thema auch in diesen Videos:

https://www.youtube.com/watch?v=NLQdFeZMSbQ

https://www.youtube.com/watch?v=g7NfYwaahKQ